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Ulli J beim 1. Höhentraining in den Schweizer Alpen

Statt Meerwasser und Höhe Null – Gletschereis und dünne Luft. Ab und an mal was Neues riskieren, so ging es mit 5 Freunden in die Schweizer Bergwelt. Die Anfahrt verlief schon sehr sportlich. Nach Motorschaden in Darmstadt mussten Bernd und Ulli noch in der Nacht ein Ersatzfahrzeug aus Duisburg holen. 

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Unser Ziel – das Bishorn – der erste 4000er

Gegen Mittag waren wir dann endlich vor Ort und konnten den 1. Anstieg zur Turtmannhütte (2519 m) angehen. Von hier aus sollten als Aufbautraining das Barrhorn (3610 m) und das Brunegghorn (3833 m) angegangen werden. Für Montag stand der Hüttenwechsel über Brunegg- und Turtmanngletscher zur Tracuithütte an. Sie liegt auf 3265 m und ist idealer Ausgangspunkt für unser hohes Ziel – der erste 4000er.

Wer glaubt beengte und einfache Verhältnisse finden sich nur auf einer Segelyacht, der war noch nicht auf einer Berghütte – 5 schmale Matratzen für 6 Mann, 2 Klos für über 150 Mann/Frau,  1 Waschtrog für alle im Freien – kein warmes Wasser und nur ab und zu ein bischen Strom versteht sich von selbst. 

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6 Mann in einem Bett und über 100 in der kleinen Hütte

Auch das Frühstück ist bescheiden, ein Schälchen Joghurt-Müsli, trockenes Brot und abgezählter Bergkäse und im Nestle-Land natürlich Instantkaffe oder Tee. So gestärkt ging es am nächsten Morgen auf Europas höchsten Wandergipfel – das Barrhorn (3610 m).  Weit oberhalb der Baumgrenze dienen kleine und große Steinmannlis der Orientierung. Und wenn man einen übersieht, kann es schon mal vorkommen, dass man sich auf einem falschen Gipfel wieder findet.

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Ulli und Tobias vor dem Brunnegg-Gletscher – im Hintergrund das Bishorn

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Bernd auf dem Barrhorn

Aber erst einmal oben, beschloss die Gruppe, dass auch das Innere Barrhorn ein Barrhorn ist und somit das Ziel erreicht ist. Nicht so für die Finisher von Bocholt. Kurz entschlossen nahmen Bernd und Ulli noch den kleinen Umweg über das Üssere Barrhorn in Angriff. Gut 100 zusätzliche Höhenmeter und ein Blick über die Kante, der sich wirklich lohnt – mehrere 100 m geht es hier senkrecht runter.

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Barrhorn – 3615 m

Frühstück auf den Hütten richtet sich nach den Tageszielen. Brunegghorn, Bishorn um 4:30 Uhr – Tracuit-Hütte und die anderen Ziele später. Also Wecken kurz nach 4 Uhr. Im Lichtkegel der kleinen Stirnlampen Morgentoilette und Rucksack packen. Nach dem knappen Frühstück geht es im Dunkeln Richtung Gipfel. Gegen 7:00 erreichen wir den Brunegg-Gletscher. Steigeisen anlegen und in 2 Seilschaften geht es über den Gletscher leicht bergauf.

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Brunegghorn im Morgenlicht
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Brunnegg-Gletscher

Trotz Spalten fühlt man sich noch relativ wohl. Der Anstieg über die Schneefelder zum Brunegghorn ist teilweise recht steil. In kleinen Schritten nähern wir uns dem Gipfel. Vis-à-vis vom Weißhorn reicht unser Blick vom Matterhorn über Dom bis hin zu Eiger-Mönch-und-Jungfrau. Verschiedene Schneespuren auf der anderen Bergflanke beweisen deutlich – es muss auch Wahnsinnige geben, die hier rauf oder runter geklettert sind. Unsere Route ist halt nur etwas für Flachland-Touristen.

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Aufstieg zum Brunegghorn (am rechten Rand eine Seilschaft beim Abstieg)

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Seilschaft und Gletscherspalten

Der Hüttenwechsel über Brunegg- und Turtmanngletscher zur Tracuit-Hütte zeigte uns nochmal die schwindende Substanz der Alpengletscher. Fehlender Aufbau im Nährgebiet sorgt für nachlassenden Druck der Eismasse. Der Gletscher kommt im Sommer zum Erliegen und löst sich förmlich an allen Stellen gleichzeitig auf. Risse und Spalten überziehen die gesamte Gletscherzunge. Tauwasser fließt in breiten Bächen über und unter dem Gletscher oder bildet unter der Oberfläche gefährliche Hohlräume.

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Bernd und Ulli auf dem Brunegghorn – 3833 m
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Löcherig wie ein Schweizer Käse – die Gletscher

Der erste Teil des heutigen Weges folgt der Seitenmoräne des Gletschers, um ihn im mittleren weniger steilen Abschnitt zu queren. Danach geht es über das Gröllfeld der gegenüberliegenden Seitenmoräne 100 Höhenmeter bergab zum Turtmanngletscher. Der kann ebenfalls im flachen Teil problemlos gequert werden.

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Tobias, Stephan und Ulli – Turtmann-Gletscher
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Eine Seilschaft vor uns

Der Blick bergauf ist beindruckend – wilder Gletscherbruch, unendliche Spalten und der steile Anstieg verheißen nichts Gutes. Der Anstieg über sulzige Schneefelder und eisenharte steile Blankeisflächen verlangt von uns alles. Hier Rutschen mag sich keiner vorstellen. Mit Kraft muss jeder Schritt sitzen. Nicht nur für die eigene Sicherheit, auch für die Freunde am Seil. Schritt für Schritt qüälen wir uns aufwärts. Nach der Geländekante – endlich der Blick zu Hütte – und noch ein weiter Weg um das obere Ende des Gletschers. Queren ist nicht zu empfehlen, schon gar nicht ohne Seil – meinten nachher, wohlwissend Christoph und Johannes.

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Spalten nichts als Spalten

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Die Tracuit-Hütte erinnert nicht nur auf Grund ihrer Höhe und der aufgehängten Tibetfahne ans Himalaya. Auch der Schwarze Afgahne  der studentischen Hüttenhelfer zeugt von der Abwesenheit jeglicher Kontrollen.

Auch der Anstieg zum Bishorn erfolgt im Dunkeln. Und die Aussichten sind heute nicht gut. Der Himmel ist dicht verhangen – vom Gipfel ist nichts zu sehen. In kleinen Seilschaften geht es über das ebene Gletscherfeld zum Anstieg. Die flache Schneefläche ist trügerisch. Ohne Vorzeichen verliert die Seilschaft, wenige Meter vor uns, auf dem Trampelpfad zum Gipfel ihren letzten Mann(Frau). Nur das Sicherungsseil hält die Verbindung. Unsere Hilfe wird nicht benötigt. Ohne Stress wird die Bergsteigerin wieder auf den Gletscher gezogen und der Marsch wird fortgesetzt.

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Tracuit-Hütte mit Blick auf das Bishorn – 4153 m


Da es relativ langsam und in großzügigen Serpentinen bergan geht, ist von der dünnen Luft nur wenig zu merken. Die Sicht wird immer schlechter, so stapfen wir in der Spur zum Gipfel, den Blick immer stumpf auf das Sicherungsseil vor unseren Füßen gerichtet – nicht drauftreten. Um 9:40 ist es geschafft – 7.71481° ö.L. und 46.1178° n.B. Gleich im ersten Versuch haben wir die 4000 geschafft.

Und Schade – eigentlich hätten wir gerne noch 1 oder 2 Hundert Meter draufgelegt, aber der Berg war hier zu Ende. So blieb die Latte leider bei 4153 m liegen.

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Aufstieg zum Bishorn

Download Video (avi) „Eindrücke vom Gipfel“ – 1,2 MB

Download Video (mpg) „Eindrücke vom Gipfel“ – 4,0 MB

Bei gutem Wetter reicht hier, vom schönsten schweizer Panoramergipfel, der Blick vom Mont Blanc Massiv bis zu den Gipfeln der Berner Alpen (Eiger, Mönch und Jungfrau). Bei Nebel reicht es leider nur für wenige Meter 🙁

Nach einer kurzen Verschnaufspause ging es wieder zurück zur Tracuit-Hütte. Den Abstieg morgen wollte Ulli statt über die Gletscher und die Turtmann-Hütte über die leichtere Zinal-Route nehmen. Aber auch den anderen schmeckte die steile Gletscherpartie nicht sonderlich.

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Die anderen vergnügten sich derweil mit Kletterübungen an einem großen Baum und dem Abseilen von einer Autobrücke.So ging es am Morgen zügig bergab nach Zinal und von dort mit Bus und Bahn nach Turtmann. Leider hatten wir auf der Turtmanhütte, um Gewicht zu sparen, unnötige Gepäckstücke deponiert.  Per Losentscheid mussten Christoph und Johannes nochmal rauf zur Hütte wandern.

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Kletterübungen am Baum

Apropos Höhentraining – trotz 4 Tage in über 3000 m Höhe, konnte Ulli seine Zeit beim Thülsfelder Triathlon gegen über dem Vorjahr nicht verbessern.

  Ziel Höhenmeter Gehzeit
 1. Tag Turtmannhütte – 2519 m 620 m 2,5 Std
 2. Tag Barrhorn (Innere und Üssere) – 3610 m 1200 m 8 Std
 3. Tag Brunegghorn – 3833 m 1340 m 10 Std
 4. Tag Tracuithütte – 3256 m 920 m 7,5 Std
 5. Tag Bishorn – 4153 m 900 m 6 Std
 6. Tag Abstieg Zinal – 1678 m 1600 m 2,5 Std
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Author: ulli